Gibt es auch etwas in ihrem Leben, das Sie noch niemandem erzählt haben? Das schmerzt? Wofür Sie sich schämen? Das Ihnen peinlich ist? Wahrscheinlich schon!

In meiner Praxisarbeit kommt es relativ oft vor, dass mir Sachen anvertraut werden, die noch nie jemandem gesagt wurden. Das können sehr unterschiedliche Sachen sein, Begebenheiten, Taten oder auch „schlechte“ Gedanken. Meistens sind damit Gefühle der Peinlichkeit oder der Scham verbunden, ansonsten hätte es ja nicht geheim bleiben müssen.

So kann sich jemand dafür schämen, dass er ein schlechter Schüler war und keine guten Noten schrieb. Oder jemand schämt sich dafür, dass die Eltern Alkoholiker waren. Manchmal geht es auch um unterlassene Hilfeleistung. Oder es geschah ein Übergriff oder Missbrauch, den die Person entweder selbst erlitt oder aber Zeuge davon wurde. Die Geheimnisse sind so vielfältig wie das Leben. Dann gibt es natürlich auch die «kleinen» Geheimnisse, die aber für die betreffende Person damals gross und belastend waren, vielleicht heute noch sind.

So habe ich mit sieben Jahren das erste und einzige Mal etwas gestohlen. Im Lebensmittelladen bei uns in der Strasse gab es auch Süssigkeiten zu kaufen. Mit meinem Taschengeld durfte ich mir jeweils etwas kaufen gehen. Einmal habe ich, warum weiss und wusste ich selbst nicht, einen Lolli meiner Lieblingssorte gestohlen.

Nein, ich wurde nicht erwischt. Aber ich hatte ganz lange ein sehr schlechtes Gewissen und habe es bisher niemandem erzählt. Aus heutiger Sicht eine Kleinigkeit, damals war es für mich eine grosse Sache und ich habe mich sehr geschämt. Denn dass es Unrecht war, das wusste ich.

Nun, was macht man mit solchen Geheimnissen, die unter Umständen auch im Erwachsenenalter belastend sein können?

Eine Möglichkeit ist, die Begebenheit einer Vertrauensperson, sei das im privaten Umfeld oder im therapeutischen Kontext, zu erzählen. Wichtig ist natürlich, dass ich jemanden wähle, die oder der mich nicht dafür verurteilt. Denn das habe ich ja schon selbst lang genug gemacht!

Gewisse Sachen fallen jedoch schwer zu erzählen oder es gibt gerade niemanden, der oder dem man das anvertrauen könnte. Für solche Fälle habe ich Ihnen einen Vorschlag. Vielleicht wissen Sie, dass viele Kinder ihre Sorgen ihrem Kuscheltier, ihrem Haustier oder manchmal einem Baum erzählen. Etwas Ähnliches können Sie als erwachsener Mensch auch tun. Sie könnten zum Beispiel einen Stein nehmen, es kann ein unscheinbarer Kieselstein sein. Dem erzählen Sie Ihr Geheimnis, das Sie schon so lange belastet. Danach deponieren Sie den Stein irgendwo, sei es im Garten oder im Wald oder Sie werfen ihn in den Bach. Er ist jetzt stiller und nicht verurteilender Mitwisser ihres Geheimnisses und dank seiner Natur als Stein kann er es nicht ausplaudern. Das Geheimnis bleibt also gewahrt. Sie aber haben einmal darüber geredet, habe das Unaussprechliche ausgesprochen und konnten so etwas emotionalen Ballast ablegen, sich ein wenig erleichtern.

Vielleicht kennen Sie ja jemanden, von der oder dem Sie die Vermutung haben, dass dieser Mensch ein schweres Geheimnis trägt. Dann könnten Sie ihm von der obigen Methode erzählen – oder meinen Blog zum Lesen empfehlen. Manchmal können kleine Dinge Grosses bewirken, und sei es nur ein Tipp.

Ich wünsche Ihnen den Mut, Ihre belastenden Geheimnisse in Worte zu fassen, und sei es nur einem Stein gegenüber. Es hilft!