Sind Sie eine regelmässige Nutzerin oder gar häufiger Nutzer von Facebook?
Falls ja, sind Sie wahrscheinlich nicht unter 30.
Ich selbst bin und war nie eine aktive Teilnehmerin, es ist nicht mein Medium. Aber ich habe schon lange ein Konto, damit ich mit ehemaligen Au-Pair – Mädchen in Kontakt bleiben konnte. Diese sind mittlerweile natürlich alle gestandene Frauen, keine Mädchen mehr.
Deswegen erhalte ich manchmal auch FB-Nachrichten, die Freundinnen von mir entweder schreiben oder kommentieren. So auch letzte Woche eine kommentierte Nachricht. Da hat sich eine Verkäuferin über die Unfreundlichkeit, ja Unverschämtheit ihrer Kundschaft aufgeregt mit konkreten Beispielen. Alles sehr nachvollziehbar und nicht schön, nicht wertschätzend, nicht wohltuend. So weit so gut. Danach folgte eine Flut von Kommentaren, die mir sehr zu denken gegeben haben.
Alle blasen ins gleiche Horn, wie unfreundlich die Menschen seien, wie schlecht sie selbst behandelt würden, nicht nur im Verkauf, auch in der Pflege, jemand hat gar geschrieben, alle die mit Menschen arbeiten, würden das erleben. Ich muss gestehen, nach etwa 20 Kommentaren habe ich abgebrochen, meine Dosis an Negativität für die nächsten paar Wochen war mehr als erfüllt.
Selbstverständlich finde ich solches Verhalten von Kunden/Klientinnen nicht in Ordnung. Ich bin für einen höflichen, freundlichen, respektvollen, ja liebevollen Umgang, das macht die Welt schöner. Und ich bemühe mich selbst aktiv darum.
Aber: was ändern diese Frust – Ausbrüche, diese zum Teil in sich gewalttätigen Kommentare? Klar darf man seinen Frust ablassen. Vielleicht fühlt man/frau sich verstanden und gesehen dadurch, dass es anderen auch so geht. Das ist sicherlich hilfreich. Aber wird dadurch irgendetwas besser? Es ist ja nachher immer noch genau gleich schlimm oder unwürdig, es hat nichts geändert.
Es gibt den Satz, der Mahatma Gandhi zugeschrieben wird: «Sei du die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.» Ein sehr weiser Satz. Denn: bekanntlich können wir nur uns, unser Verhalten und unsere Art zu denken ändern. Alles andere, auch unsere Mitmenschen, nicht.
Wenn wir Mitgefühl haben für unsere unfreundlichen Mitmenschen, dann wird die Welt zumindest einen Moment lang ein bisschen milder. Das heisst nicht, dass man solches Verhalten einfach tolerieren soll. Nein, da würde ich auf jeden Fall dagegen halten, wenn ich den Eindruck habe, dass es sich lohnt. Aber vielleicht eben nicht patzig, sondern mit Mitgefühl. Ich weiss, ich habe leicht reden, ich muss nicht morgens um sechs in einer Bäckerei stehen und angepflaumt werden.
Trotzdem: Mitgefühl bringt die Welt weiter, Groll und Hass nicht.
Ob ich etwas geschrieben habe in diesem Facebook-Verlauf? Nein, habe ich nicht. Nicht weil ich feige bin, sondern weil ich nicht den Eindruck habe, dass das bewirkt, was ich gerne bewirken würde. In diesem Verlauf hätte ich nur einen Shitstorm ausgelöst. Kann man, muss man nicht. Dafür möchte ich meine Energie nicht aufwenden.
Worin möchte ich meine Energie investieren? Das ist eine zentrale Frage.
Ich wende mich denen zu, die empfänglich sind für meine Art zu denken. Ich habe gelernt, meine Einsätze zu wählen. Jede von uns bestimmt jeden Tag von neuem, wie sie sich verhalten und handeln möchte. In seinem/ihrem kleinen Rahmen. Und das genau das macht die Qualität des Lebens aus, viele kleine Gesten der Freundlichkeit und der Zugewandtheit.
In dem Sinne wünsche ich Ihnen viel Mitgefühl mit sich und anderen – und vielleicht etwas weniger Zeit auf Facebook.
PS bevor Sie sich aufregen: ja, es gibt auch viel Gutes auf Facebook, aber darum ging es heute nicht.